Author/Authoress: | Taschwer, Klaus |
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Title: | Friedliche Volksbildung? Ergänzungen zur Geschichte der Wiener Erwachsenenbildung vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg |
Year: | 1996 |
Source: | Spurensuche. Zeitschift für Erwachsenbildung und Wissenschaftspopualrisierung, 7. Jg., 1996, H. 2, S. 12-31. |
Abstract: | Die bisherige Geschichtsschreibung der österreichischen Volkshochschulen hat sich bisher kaum mit der Zeit des Ersten Weltkriegs beschäftigt. Erst vor kurzem scheint ein gewisses Interesse an der Geschichte der Volkshochschulen in den Zeiten der Weltkriege bzw. des Austrofaschismus erwacht zu sein. Im folgenden Beitrag wird versucht, Ergänzungen an einer ersten Darstellung der Rolle der Erwachsenenbildung zur Zeit des Ersten Weltkriegs anzubringen sowie Erweiterungen, hauptsächlich im Zusammenhang der bislang kaum berücksichtigten Volkstümlichen Universitätskurse, die bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zumindest gleichrangig neben den frühen Volkshochschulen bestanden und zum Teil mit diesen eng kooperierten. Anhand von zum Teil neuen Primärquellen wird gezeigt, daß zum Teil starke Anpassungen des Kurs- und Vortragsprogramms auf das Kriegsgeschehen vorgenommen wurden. |
[S. 12] 1. Vorbemerkungen
Die Geschichtsschreibung der österreichischen Volkshochschulen1 hat sich bislang fast ausschließlich mit den gedeihlichen Entwicklungsperioden der Erwachsenenbildung beschäftigt – insbesondere mit ihrer Blütezeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Erst vor kurzem scheint auch ein gewisses Interesse an der Geschichte der Volkshochschulen in den Zeiten der Weltkriege bzw. des Austrofaschismus erwacht zu sein, das in Österreich vor allem den Pionierarbeiten von Wilhelm Filla zu verdanken ist.2 Im folgenden wird versucht, einige Ergänzungen an einer ersten Darstellung der Rolle der Erwachsenenbildung zur Zeit des Ersten Weltkriegs anzubringen. Die hauptsächliche Erweiterung, die ich hier vornehmen möchte, betrifft die in diesem Zusammenhang bislang kaum berücksichtigten Volkstümlichen Universitätskurse, die bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zumindest gleichrangig neben den frühen Volkshochschulen bestanden und zum Teil mit diesen eng kooperierten. Anhand von bisher ungenügend berücksichtigtem Archivmaterial soll dabei zum einen gezeigt werden, daß in diesem Fall sehr wohl starke Anpassungen des Kurs- und Vortragsprogramms auf das Kriegsgeschehen vorgenommen wurden. Zum anderen ist zu belegen, daß die Hochschulkurse ihre Dienste sogar der Armee im Feld anboten.
Ausgehend von diesem konkreten Beispiel ist einigen allgemeineren Problemstellungen nachzugehen: so etwa der Frage, wie und weshalb sich populärwissenschaftliche Wissensvermittlung so stark den Zeitumständen anpaßt. Zuvor indes wird aber auch danach zu fragen sein, ob es nicht von Beginn an konstitutive Querverbindungen zwischen der frühen Volksbildung und dem Militär bzw. einem deutsch-österreichischen Nationalismus gab.
Im abschließenden Teil dieses Beitrags soll stichwortartig an die Kriegsbewältigung der Volkshochschulen nach 1918 erinnert werden, nicht zuletzt an die Ausstellung „Das Joch des Krieges“, die 1919 im Volksheim Ottakring zu sehen war. Vor allem aber wird – im Rückblick auf die maßgebliche Beteiligung der Naturwissenschaften am Ersten Weltkrieg – versucht, die Folgen dieses „Kriegs der Chemie“ für die Wissenschaftspopularisierung nach 1918 in Ansätzen zu rekonstruieren. Hier wird behauptet, daß die bislang als moralisch integer geltende Wissenschaft auch in Teilen der Öffentlichkeit ihre „Unschuld“ eingebüßt hat, was erstmals in diesem Jahrhundert zu einer nachhaltigen Vertrauenskrise geführt hat. Weite Teile der szientifisch orientierten Erwachsenenbildung des „Roten Wien“ schienen davon allerdings unberührt geblieben zu sein. Was wissen wir bisher über die Rolle der Wiener Volksbildungsbewegung während der vier Jahre des Ersten Weltkriegs? Haben zwar auffällig viele Studien zur Geschichte der Erwachsenenbildung in Österreich die Kriegsjahre ausgespart, so läßt sich auf der Basis anderer Arbeiten3 doch ein erstes, ambivalentes Bild nachzeichnen: Auf den ersten Blick ist es dadurch charakterisiert, daß die Volksbildungsarbeit – wie nicht anders zu erwarten – durch den Krieg auf den verschiedensten Ebenen in Mitleidenschaft gezogen wurde: Vor allem aufgrund der Einberufung der wehrpflichtigen Bevölkerung kam es zumindest bei den männlichen Hörern und insbesondere bei den Arbeitern zu einem nicht unerheblichen Publikumsschwund. Von der Einberufung waren indes auch etliche Vortragende betroffen, was zum Teil zu Verringerungen im Veranstaltungsangebot führte. Darüberhinaus trugen die materiellen Engpässe besonders ab dem Winter 1916/17 nachhaltig zur infrastrukturellen Behinderungen bei: Die Volkshochschulen konnten in den Wintermonaten kaum beheizt werden, und die öffentlichen Verkehrsmittel stellten zum Teil ihren Dienst ein. Daneben wurden auch die finanziellen Zuwen- [S. 13] dungen sowohl von öffentlicher wie auch privater Seite stark eingeschränkt.
Bei einem zweiten Blick auf dieses Bild fallen indes andere, eher unerwartete Tatsachen auf: So ist doch einigermaßen überraschend, daß nach 1914 die Volksbildungstätigkeit – von den angesprochenen kriegsbedingten Einschränkungen einmal abgesehen – dennoch weitgehend aufrecht erhalten werden konnte. Das erklärt auch, warum 1919 weder bei Null noch bei 1914 begonnen werden mußte, sondern durchaus an eine während der Kriegsjahre gemachte Entwicklung angeschlossen werden konnte. So zeigen etwa die Daten über die Publikumsentwicklung,4 daß in den unterschiedlichen Volksbildungseinrichtungen die Anzahl der BesucherInnen zum Teil sogar weiter anstieg, daß also die im Feld befindlichen Hörer vielfach durch Hörerinnen „ersetzt“ wurden. In diesem Zusammenhang ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß die Fluktuation der HörerInnen stark anstieg.5
Abgesehen von den kriegsbedingten Veränderungen der Infrastruktur, des Publikums und der Vortragenden kam es durch den Ersten Weltkrieg zu den massivsten inhaltlichen Umgestaltungen im Veranstaltungsangebot seit den Anfängen des Volksbildungswesens in Wien. Weder der Regimewechsel von der Monarchie zur Republik noch die Weltwirtschaftskrise und auch nicht die Machtübernahme durch die Austrofaschisten führten zu derartigen Eingriffen in die Kurs- und Vortragsprogramme wie der Erste Weltkrieg. Zwar wurde zurecht darauf hingewiesen, daß auch hier Differenzierungen nach Volksbildungseinrichtungen vonnöten sind – gleichwohl bleibt meines Erachtens unbestritten, daß bei einem langfristigen Überblick über die inhaltlichen Programmangebote der Wiener Volksbildung bis 1938 die Veränderungen durch den Ersten Weltkrieg beispiellos dastehen.
Dieses facettenreiche Bild, das sich aus den bisherigen Arbeiten ergibt, scheint mir gleichwohl in mehreren Punkten ergänzungsbedürftig. Das betrifft zum einen – im Hinblick auf die Institutionen – die Volkstümlichen Universitätsvorträge,6 jene zumindest bei Filla ausgesparte Volksbildungseinrichtung, der in der Frühzeit der Wiener Erwachsenenbildung gleichwohl eine Schlüsselstellung zukam und die bis zum Ersten Weltkrieg zumindest gleichrangig neben den ersten Volkshochschulen dastand. Zum anderen scheint es, als ob es nach wie vor „bislang unbeleuchtete Kapitel“ in der Aufarbeitung der Zusammenhänge zwischen Volksbildung und Krieg gäbe und eher unliebsame, dunkle Flecke in der Geschichte der Erwachsenenbildung weiterhin kaum zur Kenntnis genommen wurden – wie etwa die deutsch- [S. 14] nationale Gesinnung vieler der maßgeblichen Volksbildner bis 1945.7
Angesichts einiger neuen Fakten inbesondere rund um die Volkstümlichen Hochschulvorträge und durch die Erweiterung des theoretischen und politischen Blickwinkels drängen sich indes weitere neue Fragestellungen auf: Erstens ist zu überlegen, ob es nicht schon von Beginn der Erwachsenenbildung an eine zumindest subkutane Beziehung zwischen der Volksbildung, gewissen nationalistischen Tendenzen und dem Militär gegeben hat, die sich trotz der erklärten „Neutralität“ der frühen Wiener Erwachsenenbildung zumindest bis in den Ersten Weltkrieg fortgesetzt haben und ebenda kulminierten. Zweitens sollte auf Basis des Faktenmaterials erklärt werden, welche Ursachen die unterschiedlich radikalen Umstellungen auf ein volksbildnerisches Kriegsprogramm ab 1914 hatten – und welche Gründe umgekehrt dafür ausschlaggebend waren, daß diese „Kriegs-Programme“ zum Teil wieder zurückgenommen wurden. Drittens schließlich ist danach zu fragen, welche Auswirkungen der Erste Weltkrieg – in dem die Techno-Wissenschaften erstmals in diesem Jahrhundert ihre militärische Mächtigkeit demonstrierten und sich dadurch gleichzeitig moralisch diskreditierten – auf die weitere populärwissenschaftliche Vermittlungsarbeit nahm.
Im folgenden soll versucht werden, einige Antworten zumindest anzudeuten und dem bisherigen Bild von der Volksbildung im Ersten Weltkrieg weitere Facetten und Schattierungen abzugewinnen.
2. Volksbildung, Nationalismus und Militär – untergründige Zusammenhänge
Der Begriff der „Bildung“ hat in den letzten Jahren durch neuere historiographische und theoretische Arbeiten an neuen, z.T. auch ambivalenten Aspekten gewonnen. So sind in den vergangenen Jahren neben der emanzipatorisch-aufklärerischen Seite der Erziehung die ihr komplementären Seiten der Disziplinierung aufgezeigt worden bzw. wurde das handgreifliche Interesse der neu entstandenen Nationalstaaten an geschulten Arbeitskräften und Soldaten offenkundig. Die Ursachen für den Aufbau des staatlich organisierten Bildungswesens lagen also nicht nur im hehren aufklärerischen Interessen an politisch und intellektuell mündigen Staatsbürgern, sondern waren mindestens ebenso sehr mit den Notwendigkeiten der Wirtschaft und auch des Militärs begründet.8 Diese Behauptung trifft meines Erachtens auch auf die Geschichte des österreichischen Bildungswesens im 19. Jahrhundert zu – und die „Volksbildung“ läßt sich davon nicht völlig ausklammern.
Die wichtigste Verbesserung des staatlich organisierten Bildungswesens vor der Jahrhundertwende war ohne Zweifel das Reichsvolksschulgesetz von 1869, das erstmals eine [S. 15] Schulpflicht bis zum 14. Lebensjahr einführte und damit den Rückgang des Analphabetismus in den Unterschichten einleitete. Diese einschneidende Neuerung im österreichischen Schulsystem sowie die Wiederherstellung des „Ministeriums für Cultus und öffentlichen Unterricht“ zwei Jahre zuvor stand dabei in einem zumindest mittelbaren Zusammenhang mit der Niederlage bei Königgrätz 1866, als die österreichischen Truppen gegen das weitaus besser geschulte preußische Heer die Schlacht verloren.9
Doch auch die Anfänge der Volksbildung in Wien wenig später hatten auf eigentümliche Weise mit dem österreichischen Heerwesen zu tun. Eine in den bisherigen Geschichten der Erwachsenenbildung nicht immer erwähnte Begebenheit war die Einrichtung von Garnisonsbibliotheken durch den Volksbildungsverein im Jahr 1889.10 Doch nicht dieses Faktum selbst war es, das die untergründige Nähe von Militär und Volksbildung offenkundig macht, sondern die Folgen, die sich daraus ergaben. Denn zum Erschrecken der frühen Volksbildner stellt sich auf diesem Wege heraus, daß 15% der deutschsprachigen Rekruten, die alle schon die neue allgemeine Schulbildung genossen hatten, trotzdem weder lesen noch schreiben konnten – also wieder zu Analphabeten geworden waren.11 Darin wurde natürlich sofort die Notwendigkeit von unterstützenden erwachsenenbildnerischen Maßnahmen gesehen – ein wichtiger zusätzlicher Impuls für den Ausbau einer mehr oder minder geregelten Veranstaltungstätigkeit von Seiten des Volksbildungsvereins in den frühen neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Neben dieser hier nur angedeuteten „Beteiligung“ des Militärs an den Anfängen der Volksbildung in Wien ist für den hier interessierenden Zusammenhang von Staat, Militär und Volksbildung deren zumindest latenter Nationalismus ein weiterer wichtiger Aspekt, der in der neueren Literatur mit wenigen Ausnahmen12 ebenfalls weitgehend ausgeblendet wurde – was umso verblüffender ist, da es bei der historischen Legitimierung der Volksbildung und bei bestimmten Anlässen um die Jahrhundertwende auch immer wieder explizite Äußerungen gab, die keinen Zweifel an der Doppeldeutigkeit des Wortes „Volks-Bildung“ ließen.13
Am lakonischesten brachte wohl Albrecht Penck, seines Zeichens Professor für Geographie an der Universität Wien und von 1904 bis 1906 Vorsitzender des Ausschusses für Volkstümliche Universitätsvorträge, dieses Spezifikum der frühen Erwachsenenbildung (zumindest im deutschsprachigen Raum14) auf den Punkt: „Der Betrieb der Wissenschaft soll und muß international bleiben, soll ein Gemeingut aller Völker werden. Aber die volkstümliche Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse ist eine nationale Aufgabe.“15[S. 16] Die Gelegenheit, bei der diese und andere ähnlich lautende Aussagen zu hören waren, bot sich am ersten deutschen Volkshochschultag16 in Wien, der 1904 stattfand und auf dem Penck die Eröffnungrede hielt. Und weiter hieß es bei ihm unter anderem:
„(...) so treffen wir uns hier, in gewissem Sinne international in einer national deutschen Aufgabe. Und wir können unserer Aufgabe mit um so größerem Erfolge uns hingeben, da wir ja als Sprache des Unterrichts die Sprache eines Volkes reden, welche die Pflege der Wissenschaften immer zu seiner vornehmsten Aufgabe sich gestellt hat, weil wir uns treffen in einer Stadt, von welcher die Pflege deutscher Wissenschaft und Kultur seit Jahrhunderten ausgestrahlt ist auf die umgebenden Völker. So können wir denn hoffen, daß unsere heutige Tagung sowohl der Wissenschaft zu Nutzen, wie auch unserem deutschen Volk zu Frommen gereichen (...) wird.“17
Was war indes mit dieser „national deutschen Aufgabe“ gemeint? Gerade im Hinblick auf die Zeit um 1900 ist es zunächst angebracht, zwischen verschiedenen Dimensionen von „Nationalismus“ zu differenzieren, um die spezifische nationalistische Inklination der (deutsch-)österreichischen Volksbildung deutlicher herauszupräparieren. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Protagonisten der Volksbildungsbewegung ihre Bemühungen damit legitimierten, einen wichtigen Beitrag zum Wohlergehen des eigenen Landes zu leisten. Das wurde in unterschiedlicher Deutlichkeit gesagt und schwankte zwischen eher moderaten patriotischen Formulierungen bis zu nationalistischen Äußerungen mit imperialistischen Untertönen – erstere scheinen sich tendenziell eher in Österreich zu finden, letztere eher im wiedererstarkenden wilhelminischen Deutschland.18
Eine spezifische Rahmenbedingung der österreichischen Erwachsenenbildung dagegen – insbesondere was den hier angedeuteten Nationalismus anbetrifft – war der Vielvölkerstaat und die kulturelle Hegemonialstellung der deutschsprachigen Bevölkerung, was sich auch in den Volksbildungsagenden deutlich niederschlug. So bildeten die Wiener Volkstümlichen Hochschulkurse neben der allmählichen Ausweitung auf das Umland Wiens eine zweite wesentliche „Extension“ aus, die auf den ersten Blick überrascht: das deutschsprachige Böhmen, Mähren und Schlesien. Diese Kurse, die allesamt über das damalige k. k. Ministerium für Cultur und Unterricht in Wien abgewickelt (bzw. von diesem erst genehmigt werden mußten, fanden vor allem in Provinzorten statt und wurden von Lehrern aus Wien bestritten.19 In der Korrespondenz der Volkstümlichen Universitätskurse aus dem Jahr 1897/98 fand sich ein Dankesschreiben des deutsch- [S. 17] mährischen Volksbildungsvereins, in dem sich unter anderem folgende Passage findet: „…in einer Zeit nationaler Bedrängnis erfüllt die Deutschen Brünns, in deren Namen wir zu sprechen berechtigt sind, diese Hilfsbereitschaft der Wiener Universität mit Freunde und Zuversicht.“20
Zur Interpretation dieser Zeilen ist darauf hinzuweisen, daß es just in diesem Jahr 1897/98 in der Monarchie zur sogenannten Badeni-Krise gekommen war, die zu einem Höhepunkt deutsch-nationaler Leidenschaft im Vielvölkerstaat führte. Die Ursache für diese Krise waren die Sprachverordnungen des Ministerpräsidenten Kasimir Graf Badeni für Böhmen und Mähren, die Deutsch und Tschechisch als Amtssprache vorsahen und von den Beamten ab 1901 die Kenntnis beider Sprachen verlangten. Und das löste eine breite Oppositionsbewegung aus: Die bevorzugte Stellung der deutschsprachigen Bevölkerungsteile bzw. der deutschen Kultur als solcher schien dadurch ernsthaft gefährdet.21
Ohne weiter auf die Verwicklungen dieser Nationalitätenkämpfe einzugehen ist an dieser Stelle bloß darauf hinzuweisen, daß es vor diesem Hintergrund sich verschärfender nationaler Spannungen wohl kein Zufall war, daß die Volksbildungbewegung auf heutigem österreichischen Boden seit dieser Zeit fast ausschließlich mit den „Schwesterorganisationen“ im wilhelminischen Deutschland kooperierte und daß etliche der maßgeblichen Protagonisten der Volksbildungsbewegung erklärte Deutsch-Nationale waren: Hartmann war nicht erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs einer der glühendsten Befürworter des Anschlusses an Deutschland;22 Emil Reich galt ebenso als erklärter Nationaler wie Adolf Stöhr oder Richard Wettstein von Westersheim.23
Bei einer Erweiterung des Blickwinkels auf die Geschichte der Volksbildung auch in anderen Teilen Europas fällt auf, daß der Aufschwung volksbildnerischer Aktivitäten gegen Ende des 19. Jahrhunderts in vielen Teilen des Kontinents und insbesondere in Deutschland wohl nicht ganz zufällig mit der maximalen Entfaltung des Kolonialismus zusammenfiel, wie dies Hans Magnus Enzensberger polemisch behauptet und mit Belegen aus deutschen Konversationslexika illustriert hat: In diesen war unter anderem nachzulesen, daß die Zahl der Analphabeten „verglichen mit der Gesamtbevölkerung eines Landes, bezeichnend für den Kulturzustand eines Volkes“ sei: „Derselbe [ ist] am geringsten in den slaw. Ländern und bei den Schwarzen der Vereinigten Staaten von Amerika…Auf der höchsten Stufe stehen die germ. Länder, die Weißen der Vereinigten Staaten von Amerika und der finn. Stamm.“24 [S. 18] Und auch bei prominenten österreichischen Volksbildnern finden sich spätestens nach Kriegsbeginn ähnliche Aussagen...
3. Die Volkstümlichen Universitätskurse im Ersten Weltkrieg
Bereits wenige Tage nach der Kriegserklärung Österreichs am 28. Juli 1914 und der Gesamtmobilmachung Rußlands am 30. Juli fand im Rahmen der Volkstümlichen Universitätsvorträge ein erster „Kriegskurs“ statt: Am 19. August referierte Prof. Dr. Karl Pribram in einem frei zugänglichen Vortrag vor 480 BesucherInnen über wirtschaftliches Verhalten in Kriegszeiten. Doch das war nur der Anfang einer kurzfristigen und vollständigen Umstellung des Kursprogramms auf den Krieg, die der Spiritus rector und zugleich Sekretär der „Volkstümlichen Hochschulkurse“, Ludo Moritz Hartmann, in der Arbeiterzeitung vom 24.9.1914 folgendermaßen begründete:
„In dem allgemeinen Notstand muß sich auch das Volksbildungswesen dem Kriege anpassen. Viele von denen, die sonst regelmäßig ihre Abende in stillem Studium verbrachten, stehen heute im Felde; es werden nicht die schlechtesten Elemente des Heeres sein, die heute ihre in friedlicher Kulturtätigkeit gefestigte Persönlichkeit in den Dienst des Kampfes gegen die Unkultur gestellt haben; denn sie wissen, daß sie für Ideale kämpfen, die sie schon im Frieden erfüllt haben, und die geistige Disziplin, die sie sich erworben haben, steht der geistige Stumpfsinn des russischen Muschiks gegenüber, der von jeder geistigen Tätigkeit künstlich ferngehalten wurde. Vielmehr ist es jetzt wie sonst Aufgabe der Volksbildung, ihren Jüngern dazu zu verhelfen, daß sie die auf sie einstürmenden Eindrücke in sich verarbeiten können und im praktischen Leben die Nutzanwendungen ziehen.“23
Entgegen den üblichen Kursterminen begann man in der zweiten Jahreshälfte 1914 außertourlich noch im August mit einem Kursprogramm, das sich bis Anfang Oktober hinzog und in teilweise wiederholten Veranstaltungen folgende Themen umfaßte: „Wirtschaftliches Verhalten in Kriegszeiten“ (Prof. Dr. Karl Pribram; eine Wiederholung, zuerst 480, dann 320 HörerInnen); „Krankenpflege und Erste Hilfe“ (Prof. Dr. Egon Ranzi; 512 HörerInnen); „Verhalten der Bevölkerung bei Epidemien“ (Priv.-Doz. Dr. Ernst Pribram; 502 HörerInnen). Der Vortragszyklus „Über das Verhalten der Bevölkerung bei Volks- und Kriegsseuchen“ wurde von vier verschiedenen Vortragenden (Prof. Dr. R. Grassberger, Priv.-Doz. Dr. Ernst Pribram, Dr. H. Reichel und Priv.-Doz. Dr. Max Eugling) insgesamt sechs Mal wiederholt; die HörerInnenzahlen schwankten von 40 bis 276.
Im Oktober und November 1914 fand dann der erste reguläre Kurszyklus statt, der voll und ganz auf den Krieg abgestellt wurde – weshalb die Volkstümlichen Universitätskurse auch kurzfristig in „Volkstümliche Kriegskurse“ umbenannt wurden. Abermals widmeten sich alle elf Kurse, wie sich der folgenden Ankündigung der Arbeiterzeitung entnehmen läßt, in verschiedenster Weise der Kriegsthematik:
„Auch die volkstümlichen Universitätskurse, die am 12. Oktober in verschienenen Bezirken beginnen, sind in diesem Jahre als Kriegskurse eingerichtet. Die Gegenstände der sechstündigen Kurse sind die folgenden: „Der östliche und der westliche Kriegsschauplatz“ (Montag, Alsergrund); „Die Literatur der Befreiungskrige“ (Dienstag, Alsergrund); „Das Verhalten der Bevölkerung bei Epidemien“ (Dienstag, Simmering); „Geschichte der Befreiungskriege (Dienstag, Döbling); „Das Wesen der Kriegsseuchen und ihre Verhütung“ (Dienstag, Währing); „Das Recht im Kriege“ (Mittwoch, Margareten, Volksbildungshaus); „Krankenpflege und erste Hilfe“ (Mittwoch, Alsergrund); „Die Völker Rußlands“ (Donnerstag, Alsergrund); „Ueber Volksseuchen, insbesondere Kriegsseuchen“ (Donnerstag, [S. 19] Alsergrund); „Fichte und die deutsche Philosophie der Befreiungskriege“ (Donnerstag, Ottakring); „Die Hauptströmungen der europäischen Politik seit 1871“ (Freitag, Alsergrund).“24
Diese konzertierte Änderung des Kursprogrammes ging natürlich auch auf Änderungen in den Modalitäten der Programmzusammenstellung einher: Während in den übrigen Jahren die Mitglieder der Universität um Bewerbungen bzw. Themenvorschläge für Volkstümliche Universitätskurse gebeten wurden, verkehrte sich diese Praxis am Beginn des Ersten Weltkriegs. Der Ausschuß beschloß nicht nur, das Kursprogramm ganz auf die Kriegsumstände abzustimmen, sondern es wurden auch Überlegungen angestellt, wer unter den potentiellen Vortragenden Kurse zu welchen Themen abhalten könnte. Solche „Aufträge“ mit Präzisierungen der vorgeschlagenen Themenstellung wurden dann von Ludo Moritz Hartmann an die ausgesuchten Universitätsangehörigen verschickt, die sich zumeist mit den Vorschlägen auch einverstanden erklärten.25
Zudem fand im November und Dezember 1914 eine „Ringvorlesung“ unter dem Titel „Vorträge Wiener Universitätslehrer zur Zeit- und Weltlage“ statt: fünf prominente „Wiener Universitätslehrer“ – unter ihnen auch Hartmann – referierten im anatomischen Hörsaal über den großen Krieg und seine Vorgeschichte; die Vorträge wurden von jeweils rund 550 HörerInnen besucht und erschienen auch in Buchform.26 Die in den ersten Kriegsmonaten abgehaltenen Kurse waren durchaus noch gut besucht; wie sich jedoch schon bei den ersten Kursen zeigte, war der Bedarf nach Wiederholung der Vorträge zum Teil nicht sehr groß – so hatte etwa Ernst Pribrams über Kriegsseuchen im Oktober und November überhaupt nur mehr fünf HörerInnen.
Im Laufe der nächsten Kurs-Perioden kam es bei fast allen mehrfach angebotenen Kriegskursen zu mehr oder minder drastischen Einbrüchen bei den Besucherzahlen; das hatte zur Folge, daß ab dem Kursjahr 1915/16 wieder allmählich auf das „Friedensprogramm“ umgestellt wurde und ein Jahr später von den „Kriegskursen“ so gut wie gar nichts mehr übrigblieb. Diese Entwicklung scheint nahezu ausschließlich durch das Publikumsverhalten bewirkt worden zu sein: So zeigt sich bei einem Blick auf die Besucherfrequenz der Jänner/Februarkurse 1916, daß der Vortragskurs über Goethe – einer der wenigen ohne Kriegsbezug – weitaus am besten besucht war und sogar doppelt angeboten werden mußte. Das Publikum hatte also allem Anschein nach kein besonderes Interesse, sich über die alltäglichen Kriegsnöte noch zusätzlich und wiederholt mit kriegsnahen Thematiken zu beschäftigen. Das zeigt sich auch an den angebotenen Kursen über Geschlechtskrankheiten, die erstmals im Februar 1916 ins Programm aufgenommen wurden und damals immerhin 213 (männliche) Hörer fanden. Von Oktober bis Dezember 1916 wurden, durch diesen Erfolg ermutigt, gleich zwölf dreistündige Kurse zu diesem „kriegswichtigen Thema“ abgehalten, die allerdings schon weit weniger gut besucht waren; und eine weitere, bereits angekündigte Kursstaffel zu diesem Thema, die für Jänner bis März geplant war, mußte dann zum überwiegenden Teil abgesagt werden.27
Doch mit dieser Rückkehr zum Normalprogramm gab man sich seitens des „Ausschusses“ nicht zufrieden; es wurden bis zum Ende des Krieges immer wieder neue und andere Möglichkeiten überlegt, wie man sich für den Staat und seine Bevölkerung nützlich machen könnte. In einem vom 10. Juli 1918 datierten Brief an das k.u.k. Armee-Oberkommando in Baden gerichteten Brief des Ausschusses für volkstümliche Universitätsvorträge hieß es entsprechend:
„Der unterzeichnende Ausschuß ist nun der unmaßgeblichen Ansicht, daß seine Tätigkeit vielleicht gerade in den jetzigen Zeiten, abgesehen von der Zivilbevölkerung auch dem k.u.k. [S. 20] Heere in erhöhtem Maße dienstbar gemacht werden könnte und fragen daher an, ob das hohe k.u.k. Armee-Oberkommando geneigt wäre, eine solche Tätigkeit des Ausschusses für volkstümliche Universitätsvorträge zu fördern. Es ist uns bekannt geworden, daß auch im verbündeten Deutschen Reiche in Etappenräumen von berufener Seite und im Auftrage oder mit Zustimmung der militärischen Behörden eine große Vortragstätigkeit für die Mannschaft entfaltet wird. Die Berichte lauten übereinstimmend dahin, daß diese Vortragstätigkeit zur Hebung der Moral der Truppen wesentlich beiträgt und daß diese mit wahrem Wissensdurste den Vorträgen folgen, die ihre Aufmerksamkeit während der Ruhepausen von den Beschwernissen ihres Berufes ablenken und ihnen geistige Erfrischung und einen Genuß bereiten, für den sie umso empfänglicher sind, je weniger ihnen sonst naturgemäß geistige Anregung geboten werden kann. Es würde sich in erster Linie um unmittelbar nützliche Kurse handeln, zum Beispiel über Wesen, Bedeutung und Verhütung von Geschlechtskrankheiten und über andere hygienische Themata, ferner über Gegnstände, welche mit der Ernährung zusammenhängen, aber auch naturwissenschaftliche Vorträge, welche es der Mannschaft ermöglichen würden, einen Blick in die von ihr bisher nicht verstandenen Naturvorgänge um sie herum und deren Verwendung durch die Technik zu gewähren, ferner um geologische und geographische Vorträge im Zusammenhang mit der Lanschaft, in welcher die betreffenden Truppenkörper stehen sowie auch um historische und ökonomische Vorträge, welche den Horizont der Zuhörer zu erweitern geeignet sind.
Die Organsation derartiger Vorträge und Kurse könnte unserers Erachtens auf die Weise durchgeführt werden, daß das hohe k.u.k. Armee-Oberkommando die betreffenden Truppenkommanden veranlaßt, sich mit dem unterzeichneten Ausschusse für volkstümliche Universitätsvorträge der k.k. Universität in Wien wegen Beistellung don Vortragenden übernimmt und ferner an den in Aussicht genommenen Orten die Vortragslokale bereitstellt und die dienstfreie Mannschaft zum Besuche der Mannschaft veranlaßt. Für die Vortragenden und das notwendige Demonstrationsmaterial würde von hier aus gesorgt werden. Auf diese Weise könnte die Vortragstätigkeit in einem umfassenden Maße zum Nutzen und zur Erholung der Truppen durchgeführt werden.
Sollte jedoch diese Organisation wider Erwarten nicht genehm sein, so könnte auch daran gedacht werden, daß von hier aus das hohe k.u.k. Armee-Oberkommando auf diejenigen eingerückten Personen, insbesondere Mitglieder [S. 21] des Lehrkörpers der Wiener Universität aufmerksam gemacht würden, welche unseres Erachtens in der Lage wären, mit Nutzen Vorträge an der Front oder in der Etappe für die Mannschaften abzuhalten, insbesondere auf solche, welche schon Volkstümliche Universitätskurse im Auftrage der k.k. Universität in Friedenszeiten gehalten haben. Wenn das hohe k.u.k. Armee-Oberkommando diese Personen mit der Abhaltung geeigneter Vorträge beauftragen würde, wären wir gerne bereit, das etwa notwendige Demonstrationsmaterial von hier aus bereitzustellen“.
Gezeichnet wurde dieses Schreiben vom damaligen Obmann der volkstümlichen Universitätsvorträge, Prof. Dr. Eduard Brückner. Beim Armee-Oberkommando in Baden wurde dieses Schreiben tatsächlich „mit größtem Wohlwollen“ aufgenommen – für die Umsetzung kam das Schreiben angesichts der Kriegsentwicklungen allerdings etwas zu spät...
4. Wissenschaftsvermittlung im Krieg
Was bedeuten die bisherigen Ausführungen nun im Hinblick auf die generelle Frage der Wissenschaftspopularisierung in Kriegszeiten? In der neueren wissenschaftssoziologischen und wissenschaftshistorischen Literatur wird vielfach argumentiert, daß die traditionelle dichotome Unterscheidung zwischen esoterischer und exoterischer Wissenschaftsvermittlung aufzuheben ist zugunsten einer Gradualisierung der Differenzen: Die „Veröffentlichungen“ von wissenschaftlichen Erkenntnisse innerhalb und außerhalb der Akademie sind nicht essentiell verschieden, denn sie stehen zumeist in engem forschungsstrategischem und oft genug auch in epistemologischem Zusammenhang.28 Die Vermittlung an das exoterische, über die engere Scientific community hinausgehende Publikum hat nicht selten auch Bedeutung für die esoterische Wissenschaftergemeinde: diese wird immer häufiger durch Publikationen in Tageszeitungen und anderen nicht-wissenschaftlichen Medien über neue Erkenntnisse unterrichtet, da das herkömmliche Publikationsprozedere in bestimmten Fällen zu lange dauert; durch diese Veröffentlichungen zeigt sich indirekt aber auch, welche Themen öffentliche Resonanz erzeugen und dadurch eher gefördert werden und anderes mehr.29
Die Frage ist nun, ob sich durch verschiedene Umstände sich die inhärenten Zusammenhänge von esoterischer und exoterischer Wissensvermittlung verschieben, konkreter gefragt: ob die Popularisierung von Wissenschaft sich sehr viel mehr den Zeitumständen anpaßt als die traditionelle akademische Wissensvermittlung. Im Hinblick auf den Ersten Weltkrieg ist diese Frage ganz eindeutig mit ja zu beantworten. Trotz aller Einschränkungen ist in allen Bereichen der Volksbildung eine eindeutige Abstimmung der Kursprogramme auf das Kriegsgeschehen festzustellen; eine Abstimmung, die indes unterschiedliche Ursachen hatte und im Laufe der Kriegsjahre tendenziell zurückging: Es scheint, als ob sich das Auditorium der Kurse an das Krieggeschehen gewöhnt hatte, und auch der Neuigkeitswert des Gebotenen mit der Zeit nachließ.
Als Beleg für diese triviale These der größeren Aufgeschlossenheit populärer Wissenschaftsvermittlung gegenüber den Umständen der Zeit können aber nicht nur die Veränderungen in den Kurs- und Vortragsprogrammen der frühen Erwachsenenbildung herhalten: auch andere Popularisierungsmedien stellten ihre Vermittlungstätigkeit mehr oder weniger stark auf das Kriegsgeschehen ab. Als besonders eindrucksvolles Beispiel sei in diesem Zusammenhang die populärwissenschaftliche Zeitschrift „Die Bildung“ genannt, welche nach der Einstellung von „Das Wissen für Alle“ als die „einzige populärwissenschaftliche Zeitschrift Österreichs“30 für sich warb. „Die Bildung“ wurde im Jahr 1908 ins Leben gerufen und erschien bis zu ihrer Einstellung im Jahr 1934 monatlich. Analog zu den Volkstümlichen Hochschulvorträgen, deren Kursprogramm [S. 22] ab Oktober unter dem Titel „Kriegskurse“ firmierten, erschienen auch die Ausgaben der „Bildung“ bereits ab dem September 1914 als „Kriegshefte“ – weitere 47 Ausgaben dieser Art sollten bis zum Oktober 1918 folgen.
Dieser Spezifikation wurde die populärwissenschaftliche Zeitschrift auch voll und ganz gerecht, denn fortan dominiert in allen drei Bereichen des Monatsmagazins – dem naturwissenschaftlichen Teil, dem humanistisch wissenschaftlichen Teil und dem Abschnitt mit den neuesten Nachrichten – die Berichterstattung über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Entwicklungen, die für den Krieg von Bedeutung waren. Im ersten Kriegsheft beispielsweise fand sich als „Aufmacher“ ein Aufsatz über „die Technik in der Kriegswissenschaft“, in dem über die Form und Wirkung von Geschossen berichtet wurde, über neue Großgeschütze, den Seekrieg, die Minen und andere Dinge mehr. Die zweite Ausgabe als Kriegsheft im Oktober stand im Zeichen der „neuesten Errungenschaften der Kriegstechnik“ und dabei insbesondere der österreichischen Erfindungen. Im humanistisch-wissenschaftlichen Teil folgte „Kriegspoesie“ von Universitätsdozenten Dr. Viktor Junk, einem Aktuar der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Die drei Nachrichtenblöcke unter „Neuestes“ teilen sich Kurzmeldungen über „Das Schlachtfeld einst und in der Gegenwart“, „Die Hälfte der Erde im Kriegszustand“ sowie eine Meldung über den „Kriegskometen“. Diese ausschließliche Orientierung an der Kriegsthematik ließ zwar in den nachfolgenden Heften ein wenig nach – von den 47 Kriegsheften hatten aber doch nur die allerwenigsten keinen „Kriegs-Aufmacher“.31
Die Frage bleibt nun natürlich, warum es in unterschiedlichen Bereichen der Wissenschaftsvermittlung zu diesen Anpassungen gekommen ist. Scheint auf den ersten Blick die Orientierung an den Zeitumständen bzw. am Publikum, das an „wissenschaftlichen“ Ausdeutungen der neuen Situation wohl besonders interessiert war, der ausschlaggebende Grund gewesen zu sein, so darf auf der anderen Seite der Rechtfertigungszusammenhang der jeweiligen „Popularisierungsmedien“ vor der Öffentlichkeit und vor allem: den öffentlichen Geldgebern nicht vergessen werden. Indem sich die jeweilige Vermittlungsagentur in den Dienst des Staates bzw. des nationalen Anliegens stellte, konnte sie auch dessen Unterstützung einfordern – was in Kriegszeiten doppelt nötig, zugleich aber auch doppelt schwierig geworden war: Da zur Zeit der Monarchie die Volksbildungseinrichtungen überwiegend als Vereine konstituiert waren und so vor allem auf das Engagement ihrer Protagonisten bzw. der Unterstützung des Publikums und der Föderer angewiesen waren, stießen sie in der Kriegszeit sehr bald an ihre finanziellen Grenzen. Auch die entsprechenden Korrespondenzen zwischen dem Sekretariat der Volkstümlichen Universitätsvorträge (bzw. dem Rektor der Universität) und dem Unterrichtsministerium deuten in diese Richtung.32 Als Beleg für diese These vom legitimatorischen bzw. materiellen Hintergrund der Ausrichtung auf Kriegserfordernisse mag auch die bereits Ende 1916 von der „Wiener Urania“ erhobene Forderung nach einer staatlichen Zentralstelle für das österreichischen Volksbildungswesen gelten, die am 22. März 1918 auch offiziell beim Unterrichtsministerium eingebracht wurde und nach Kriegsende prompt aufgegriffen wurde.33
Drittens darf nicht vergessen werden, daß der Erste Weltkrieg nicht nur der erste große Krieg des 20. Jahrhunderts war, sondern auch die erste kriegerische Auseinandersetzung, in der neue techno-wissenschaftliche Erkenntnisse und Artefakte systematisch eingesetzt und zum Teil wohl auch kriegsentscheidend wurden.34 Insbesondere die Kriegslastigkeit der angeführten populärwissenschaftlichen Zeitschriftenberichte, die monatlich über die neuen Entwicklungen in der Waffentechnik bzw. der „Kriegswissenschaft“ unterrichteten, sind ohne die neue Bedeutung der Techno-Wissenschaft [S. 23] für die moderne Kriegsführung undenkbar.
Schließlich wäre als vierter Grund das jeweilige politische Engagement der Protagonisten der Volkshochschulen zu nennen, auf das einleitend bereits hingewiesen worden ist. Herausragend scheinen auch in die4ser Hinsicht die Aktitivtäten von Ludo oritz Hartmann gewesen zu sein, dessen Rolle während des ErstenWeltkriegs auch wohlwollende Biographen folgendermaßen charakterisierten:
„Aber der Krieg umflorte selbst den freiesten Blick in den kriegsführenden Staaten; so kam es, daß manche seiner (Hartmanns, der Verf.) Urteile über Kriegsvorgänge eine nationalistische Färbung annahmen, die freilich von der damals herrschenden Kriegshypnose der gelehrten Kreise weit entfernt blieb. Vielleicht ist das persönliche Motiv für diese Neigungen in halb unbewußten Treueempfindungen zur deutsch-böhmischen Heimat des Vaters zu suchen, die ja auch im Volksbildungswesen eine so hohe Rolle spielte, vielleicht auch in den nationalen Schwierigkeiten im Schoße der sozialdemokratischen Partei, die seit den Wahlen von 1907 ihre Einigkeit bedrohten."35
Wie sich anhand von Einzelaussagen rekonstruieren läßt, scheint innerhalb der Volksbildung allerdings durchaus kein Konsens darüber vorhanden gewesen zu sein, inwieweit sich alle Popularisierungsagenden „durch Beziehung auf den Krieg rechtfertigen“ sollten oder nicht. Während beispielsweise Emil Reich im Volksheim in diesem Punkt eine eher moderate Haltung einnahm, scheint die in den ersten Kriegsmonaten ausschließliche Ausrichtung der Volkstümlichen Hochschulvorträge auf die Initiative und das politische Engagement Hartmanns zurückzuführen gewesen sein.36
5. Der neue Aufbruch und die Wissenschaftspopularisierung nach 1918
Die Niederlage Österreichs, die mit dem formelle Ausscheiden aus dem Krieg Anfang November 1918 besiegelt wurde, hatte mehrere Konsequenzen. Zum einen führte sie zur politischen Desintegration des Habsburgerreiches, die für die nächsten Jahre eine ökonomische Stagnation zur Folge hatte: Ein eingespieltes Wirtschaftssystem war zerbrochen, das noch in den Jahren vor Kriegbeginn beträchtliche ökonomische Zuwachsraten verzeichnet hatte.37 Doch der verlorene Krieg hatte nicht nur negative Folgen. Zwischen dem 21. November und dem 12. Oktober 1918 fanden in Österreich neben dem Zerfall des Vielvölkerstaates zwei weitere „Revolutionen“ statt: durch die politische Revolution ging die Regierungsgewalt auf das Volk über – Österreich wurde zur Republik. Zugleich brachte eine breite gesellschaftliche Umwälzung den Arbeitern neue Rechte im Staat, im Betrieb und nicht zuletzt auch im Bildungsbereich, der überhaupt zum zentralen politischen Experimentierfeld avancierte.
Im Hinblick auf das Volksbildungswesen wurde ein eigenes Volksbildungsamt eingerichtet und ein „Regulativ für die Organisation des Volksbildungswesens in Deutschösterreich“ wurde verabschiedet. In dieser Zeit der politischen und sozialen Desintegration erkannte man in der „Volksbildung“ das Remedium schlechthin: sie sollte nicht nur den sozialen Ausgleich ermöglichen, sondern auch zur Volk-Bildung beitragen; und bei revolutionärer gesinnten Gruppen sollte eine neue Pädagogik mithilfe eines „Volksbildungssturms“ (Anton Lampa) gar zur Überwindung der Klassengesellschaft beitragen.38
An dieser Frage entzündete sich in Österreich vor allem aber in Deutschland einer der Hauptwidersprüche innerhalb der Volksbildungsbewegung, der auch die Wiener Diskussionen um die „Neue Richtung“ nachhaltig prägte: Sollte weiterhin ein vom Bürgertum geprägter Wissenskanon an unterbürgerliche Schichten weitergegeben werden, die so vermittels individueller Bildungsaufstiege in die bürgerliche Gesellschaft integriert würden? Oder ging es nicht vielmehr um die Realisierung [S. 24] von spezifisch sozialistischen Bildungszielen, die mit der bürgerlichen Bildung und Wissenschaft nur wenig gemein hatten? Diese Kernfragen, die natürlich auch wesentlich die Auseinandersetzungen um die „Neutralität“ der Volksbildung mitprägten, wurden auch unter den Wiener Volksbildnern unterschiedlich beantwort – je nach Radikalität des politischen Reformwillens: Während auf der einen, marxistischen Seite der pazifizierende bzw. verbürgerlichende Effekt „neutraler“ Popularisierung von Wissenschaft kritisiert wurde und im revolutionären Reformüberschwang eine völlige Umstellung auf eine sozialistische Volksbildung gefordert wurde, sahen andere in der Zweigleisigkeit von neutraler Volksbildung und sozialistischer Arbeiterbildung eine durchaus sinnvolle Ergänzung.
Die erste Position wurde in Österreich unter anderem von Max Adler vertreten, der 1924 in seinem Band „Neue Menschen“ seine Maximen sozialistischer Erziehung formulierte und Zweifel schon an der Möglichkeit der „Neutralität“ von Erziehung und Bildung äußerte. Adler ging es dabei aber nicht bloß um eine Dechiffrierung des politischen Gehalts „neutraler Bildung“, sondern eindeutig um eine explizite sozialistische Ausrichtung der Erziehungsarbeit.39 In Deutschland hatte Alexander Bogdanow bereits einige Jahre zuvor in eine ähnliche Kerbe geschlagen und die bisher betriebene Form der Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse als unzureichend kritisiert: „Wir haben gesehen, daß die moderne Wissenschaft die Fähigkeit besitzt, die energischen einzelnen, die sich bis zu den Höhen der Wissenschaft erheben, zu verbürgerlichen. Die Erwerbung der Fachkenntnisse hat zwar eine nach dieser Richtung hin schwächere Wirkung, aber die Wirkung bleibt doch. (...) Die Demokratisierung der Wissenschaft genügt der Arbeiterklasse nicht. Sie erhöht zwar die Kultur ihrer Einzelglieder, aber nicht der Masse, sie bietet die Wissenschaft als Kampfmittel einzelner, wenn auch vieler einzelner, aber nicht als das Kampfmittel der Klasse.“40
Auf der anderen Seite standen – grosso modo – die liberalen Volksbildner und jene Sozialdemokraten, die in der Arbeitsteilung zwischen einer „neutralen“ Volksbildung und der sozialistischen Arbeiterbildung eine sinnvolle Komplementarität erblickten. Dazu gehörte als vielleicht prominentester Vertreter seitens der Sozialdemokratie Josef Luitpold Stern, der im Jänner 1919 Begründer und Leiter des Reichbildungsamtes der Volkswehr wurde.41 In seiner Schrift „Klassenkampf und Massenschulung“, die aus seiner Parteitagsrede im Dezember 1923 entstand und wie jene Schrift von Adler ebenfalls 1924 erstmals erschien, stand Stern der Volksbildungsbewegung durchaus [S. 25] wohlwollend gegenüber und sah in der sozialistischen Arbeiterbildung allenfalls eine – wenn auch nötige – Ergänzung zur neutralen Volksbildung: „Die Volksbildungsbewegung hat die Aufgabe, den mittelalterlichen Menschen, den Genoveva-Anbeter vor der Rotationsmaschine umzuwandeln in den modernen, naturwissenschaftlich gesinnten Monteur (...). Die Volksbildungsbewegung hat also konservative Ziele, sie verfolgt die Erhaltung, den Bestand, ja die Fortentwicklung des kapitalistischen Systems. Es sind dies Ziele, die wir nicht ablehnen, denn der Mensch muß diese ganze Strecke der Entwicklung mitmachen, aber er kann sie durchschauend und bewußt mitmachen.
Der andere Zweig, die Arbeiterbildung, hat die Aufgabe, die proletarische Massen reif zu machen für die politischen, gewerkschaftlichen, genossenschaftlichen, kulturellen Aufgaben ihres alles umspannenden Klassenkampfes. Wo die Volksbildungsbewegung versagt, müssen wir auch ihr Erbe antreten, auch ihre Aufgabe erfüllen. Aber ein Stenographiekurs in einem Arbeiterbildungsverein hat trotz alledem mit Arbeiterbildung nichts zu tun.“42
Es ist hier nicht der Ort, auf mithin recht komplizierten Diskussionen um die „neue Richtung“ der Volksbildung in Österreich und Deutschland einzugehen und ihre Folgen für die Volkshochschulen in der Ersten Republik zu diskutieren: Es sollte bloß angedeutet werden, daß die Zeit nach 1918 von einem im Bildungsbereich bis dahin völlig unbekannten Reformeifer getragen war, der tatsächlich auch zu einer Hoch-Zeit der Volkshochschulen zumindest im Roten Wien führte.
Angesichts dieser Aufbruchsstimmung, in der alles nach vorne schaute, nimmt es auch nicht wunder, daß in den Volkshochschulprogrammen nach 1918 eine Rückblick auf den Krieg eher die Ausnahme von der Regel war. Eines jener raren Beispiele war eine Ausstellung im Volksheim Ottakring, wo anscheinend auch solches möglich war: Jener Fritz Saxl, der in der kunsthistorischen Fachgruppe während des Krieges ein Semester lang über „Moderne Kriegskunst“ vorgetragen hatte, gestaltete bald nach dem Kriegsende eine Ausstellung mit dem Titel „Das Joch des Krieges“, die vom 21. Juni bis zum 15. Juli 1919 im Volksheim Ottakring zu sehen war. Fritz Saxl, der nach dem Ersten Weltkrieg im Heeresministerium für „Volksbildungsaufgaben“ betraut wurde, hat – wie sich aus verschiedenen Zeitungsberichten und Saxls eigenen Aufsätzen über diese Wanderausstellung rekonstruieren ließ – verschiedene Exponate (u.a. Karikaturen, Plakate und Kinderzeichnungen) zusammengetragen, die indes nicht nur den Schrecken des Krieges vermittelten: Indem sie auch sozialrevolutionäre Anliegen vertrat, entsprach sie durchaus dem Geist dieser Zeit.43
Die angedeutete Aufbruchsstimmung in der Wiener Erwachsenenbildung nach 1918 soll aber nicht nur auf die Konflikte um die Frage ihrer „Neutralität“ bzw. das weitgehende Fehlen der Aufarbeitung des Kriegs erklären helfen – sie scheint auch noch für ein drittes interpretationsbedürftiges Spezifikum der Volksbildungsbewegung im „Roten Wien“ von Bedeutung: den trotz des „Krieges der Chemie“ konservierten Glauben an die Naturwissenschaften bzw. den gesellschaftlichen Fortschritt qua Wissenschaft. Für diese Behauptung ist zunächst einmal die epochale Bedeutung des Ersten Weltkriegs für das Dreiecksverhältnis von Wissenschaft, Krieg und Gesellschaft zu betonen. Zwar waren die angewandten Wissenschaften ja seit jeher auch dafür verwendet worden, zur militärischen Performanz beizutragen; im Ersten Weltkrieg ist freilich die erste groß angelegte Mobilisierung von Wissenschaft für den Krieg zu beobachten – und diese betraf nicht nur die Entwicklung der deutschen Gaskampfwaffen, sondern verschiedeste Bereiche der angewandten Physik und Chemie.44 Über diesen sehr spezifischen wissenschaftlich-militärischen Einsatz hinaus war diese Wissenschaftsepoche auch dadurch gekennzeichnet, daß Wissenschaftler, und insbesondere auch jene der geisteswissenschaftlichen Fakultäten, [S. 26] eine nicht unerhebliche Propagandarolle für den Krieg übernommen hatten.
Angeblich war es das Buch „Die Welträtsel“ (1899) von Ernst Haeckel,45 das sich häufiger als jedes andere Buch in den Tornistern der gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkriegs fand. Bedingt durch die Greuel des Gaskrieges, für den die Elite der damaligen deutschen Chemie verantwortlich zeichnete, aber wohl auch als enttäuschte Reaktion auf die fortbestehende ökonomische Misere nach diesem ersten großen Krieg, scheint sich also nach dem Ersten Weltkrieg zumindest in Deutschland eine gewisse Ernüchterung hinsichtlich des Glaubens an die reine Wissenschaft breit gemacht zu haben. Und während um die Jahrhundertwende nicht nur in Volksbildungskreisen die Wissenschaft als das Gute an sich angesehen wurde, verlor sich nach 1918 das rückhaltlose Vertrauen in den Fortschritt der Wissenschaftlichen und technischen Entwicklung zusehends. Hier sei nur nochmals an die programmatischen Äußerungen des französischen Chemikers und Volksbildners Marcelin Berthelot erinnert, der zur Jahrhundertwende noch gemeint hatte: „Die Wissenschaft ist eine unvergleichliche Schule moralischer Aufrichtigkeit und Bescheidenheit. (...) Und deshalb ist das Werk der Wissenschaft zugleich in hervorragendstem Maße ein Werk des Friedens, welches zum Vorteil und zum Glück aller vollbracht wird.“46
(Dabei ist hinzuzufügen, daß es wohl eine besondere Ironie der Geschichte war, daß sich mit der Chemie ausgerechnet jene wissenschaftliche Disziplin nachhaltig diskreditierte, in der auch Berthelot höchst erfolgreich tätig war.)
Im „roten Wien“ der zwanziger und frühen dreißiger Jahren blieb man gegenüber diesen antiwissenschaftlichen Entwicklungen indes erstaunlich immun, was wohl auch mit bestimmten institutionellen und politischen Konfigurationen zu tun hatte: Während nach 1918 insbesondere der kommunal unterstützte Verein Volksheim mit der Gründung mehrerer Volkshochschulen seine einflußreiche Stellung weiter ausbaute,47 verloren die staatlich finanzierten Volkstümlichen Universitätskurse nach und nach an Bedeutung. Und während die eine Institution ihren zumindest „agnostischen“ Charakter beibehielt, scheinen die Volkstümlichen Hochschulkurse „nicht-neutralen“ Fragestellungen nun etwas offener gegenübergestanden zu sein – wohl auch bedingt dadurch, daß die Universität Wien aufgrund ihres „hakenkreuzlerischen Senats“48 immer mehr zu einem ein Zentrum des Konservativismus und der Reaktion wurde.
Anmerkungen:
1 Besonderer Dank gilt dem Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung für die finanzielle Unterstützung bei den Recherchen, den MitarbeiterInnen des Archivs der Universität Wien sowie des Österreichischen Volkshochschularchivs für die Hilfestellungen bei den Materialsuchen sowie Ulrike Felt und Christian Stifter für Anregungen und Kritik.
2 Wilhelm Filla, „Moderne Kriegskunst“ und Volksbildung. Zur Geschichte der Wiener Volkshochschulen im Ersten Weltkrieg – ein bislang unbeleuchtetes Kapitel. In: Spurensuche. Mitteilungen des Vereines zur Geschichte der Volkshochschulen, 6. Jg., 1995, Nr. 2, S. 23-34; ders., Die österreichischen Volkshochschulen in der Zeit des Austrofaschismus 1934-1938. In: Mitteilungen des Vereines zur Geschichte der Volkshochschulen, 5. Jg., 1994, Nr. 1-2, S. 23-34.
3 Vgl. insbesondere Filla 1995, a.a.O.; Roswitha Kahl, Der Wiener Volksbildungsverein von 1887-1938. Unveröffentlichte Dissertation an der Universität Wien 1978, S. 157-165; Wilhelm Bründl, Eigenart und Entwicklung der Wiener Volkshochschulen, Wien o.J., S. 40 und 50 f.; Hans Altenhuber, Universitäre Volksbildung in Österreich 1895-1937, Wien 1995 (hier das Unterkapitel „Entwicklungsbrüche“, S. 60-62.)
[S. 27] 4 Die Zahlen für die vier wichtigsten Volksbildungsinstitutionen, die allerdings nur bedingt miteinander vergleichbar sind, da sie unterschiedliche Beteiligungsformen betreffen: Volksheim Ottakring: 1914/15: 1.516 Mitglieder 1915/16: 1.734 Mitglieder 1916/17: 1.840 Mitglieder 1917/18: 2.179 Mitglieder Vgl. Filla, 1995, a.a.O., S. 28f. bzw. die entsprechenden Jahresberichte des Volksheims. Volksbildungsverein (Lichtbildervorträge): 1914/15: 4.645 BesucherInnen 1915/16: 7.689 BesucherInnen 1916/17: 2.158 BesucherInnen 1917/18: 4.176 BesucherInnen (Kahl, a.a.O., S. 162). Urania (Vortragskurse): 1915/16: 32.763 HörerInnen 1916/17: 49.664 HörerInnen 1917/18: 99.290 HörerInnen (Vgl. Filla, 1995, a.a.O., S. 31; vgl. dort auch die Zahlen für die bloßen Vorträge an der Urania) Volkstümliche Universitätskurse: 1914/15: 7.303 HörerInnen 1915/16: 7.767 HörerInnen 1916/17: 13.762 HörerInnen 1917/18: 15.409 HörerInnen (Altenhuber, a.a.O., S. 61.)
5 Von den 1.840 lernenden Mitglieder des Volksheims Ottakring waren im Jahr 1916/17 1.130 neu eingetreten, also mehr als 60 %. (vgl. Jahresbericht des „Volksheims“ 1916/17, S. 13). Siehe dazu ergänzend auch die aufschlußreiche „Statistische Zusammenstellung über die Dauer der Vereinszugehörigkeit der Mitglieder der Volkshochschule Wien – Volksheim, 1912-1928/29“, die meine früheren pessimistischen Schätzungen hinsichtlich der mit der Volkshochschulbewegung in Berührung gekommenen Personenzahlen ein wenig relativiert. Nr. 1; Vgl. Klaus Taschwer, Wissen für Alle? Zur Soziographie und Sozialpsychologie der Wiener VolkshochschulteilnehmerInnen bis 1934. In: Spurensuche. Mitteilungen des Archivs zur Geschichte der Volkshochschulen, 6. Jg., 1995, Nr. 1, S. 8-26.
6 Hier an anderen Stellen auch Volkstümliche Hochschulkurse bzw. Universitätskurse genannt, was ihrem eigenen Wesen besser entspricht, da die wesentliche Neuerung dieser „Universitätsausdehnung“ in Wien darin bestand, das bloße Vortragsprogramm in zumeist sechsstündige Kurse zu überführen, was eine intensivere Wissensvermittlung ermöglichte. In der ersten buchlangen Monographie über diese Schlüsselinstitution der frühen Volksbildung von Hans Altenhuber, a.a.O., gibt es zwar einen kurzen Abschnitt, der sich mit den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges beschäftigt – meines Erachtens allerdings in einer etwas verkürzten Weise.
7 Im selben Atemzug muß natürlich auch erwähnt werden, daß sich mindestens eben so viele durch auch in diesen Fragen besondere Zurückhaltung übten.
8 Vgl. auch Christian Stifter, Emanzipation versus Pazifizierung? Allgemeine Überlegungen zu (Volks-)Bildung und Demokratie. In: Kurt Aufderklamm et al. (Hrsg.), Demokratische Bildung. Realität und Anspruch, Wien 1996, S. 25.
9 Zu den Auswirkungen der Kriegsniederlage vgl. Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs. Bd. 4: Von 1848 bis zum Ende der Monarchie, Wien 1986, S. 12 f.
10 Vgl. Christian Stifter, Library Work is not Philanthropy". Zur historischen Rolle der Volksbüchereien im Kontext der Volksbildung des 19. und 20. Jahrhunderts. In: Alfred Pfoser/Peter Vodosek (Hrsg.), Zur Geschichte der öffentlichen Bibliotheken in Österreich, Wien 1995, S. 78.
11 Vgl. Eduard Leisching (Hrsg.), 40 Jahre Wiener Volksbildungsverein 1887-1927. Denkschrift. Mit Beiträgen von Mitarbeitern sowie Hörern und Lesern von einst und jetzt, Wien 1927, S. 11.
[S. 28] 12 Z.B. Gerhardt Kapner, Die Erwachsenenbildung um die Jahrhundertwende, dargestellt am Beispiel Wien, Wien 1961, S. 20. weiters Christian Stifter, Knowledge, Authority and Power. The impact of University Extension on popular Education in Vienna 1890-1910. In Barry J. Hake/Tom Steele/Alejandro Tiana (Hrsg.), Masters, Missionaries and Militants. Studies of Social Movements and popular Education 1890-1939 (Cross-cultural Studies in the Education of Adults, Vol. 4), University of Leeds 1996, S. 159-190.
13 Insbesondere in Deutschland war klar, daß die Volksbildung, die ja eben nicht nur auf die Erziehung des Volkes verweist, sondern zugleich auf seine eigentliche „Konstituierung“, auch zuerst einmal diesen Aspekt der politischen Bildung zu meinen hat. Für die Kulmination dieser Argumentation unter den Bedingungen des Nationalsozialismus siehe insbesondere: Georg Brenner, Volkshochschule und Volkswerdung. Der Volksgedanke in der Entwicklung des Volkshochschulwesens bis zur nationalen Erhebung im Jahre 1933, Leipzig 1936. Eine Genealogie dieses Konzepts von Volksbildung als „Volk-Bildung“ müßte spätestens am Beginn des 19. Jahrhunderts ansetzen, obgleich sich seine ersten Spuren noch weiter zurückverfolgen lassen; vgl. Hans Magnus Enzensberger, Mittelmaß und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen, Frankfurt a. Main 1988, S. 63.
14 Erinnert sei dagegen an die programmatischen Äußerungen Marcelin Berthelots, der dagegen nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch und insbesondere in der Wissenschaftspopularisierung eine internationalistische, ja völkerverbindende Aufgabe sah: „ (...) die wissenschaftlichen Entdeckungen bilden den Gegenstand eines allgemeinen unaufhörlichen und uneigennützigen Publicität. Diese führt schließlich dahin, daß die Ansprüche auf Vorrechte und die Forderungen des Egoismus, die sich zwischen den Indivuduen sowohl, als die Nationen trennend aufthürmen, abgeschwächt und endlich zerstreut werden, so daß in allen Geistern die Erkenntniß der allgemeinen Solidarität feste Wurzeln fassen wird. Das ist auch das weitreichendste und höchste Ergebniß, welches von dem volksthümlich-wissenschaftlichen Unterrichte zu erwarten ist.“ Ders.: Wissenschaft und Volksbildung, zitiert nach: Spurensuche. Mitteilungen des Vereines zur Geschichte der Volkshochschulen, 6. Jg., 1995, Nr. 2, S. 5-11 (hier: S. 10; das Original von Berthelots Aufsatz bot gleichsam die Programmatik für die Ende 1900 gegründete Zeitschrift Das Wissen für Alle. Volksthümliche Vorträge und Populär Wissenschaftliche Rundschau, 1. Jg., 1900, Nr. 1.)
15 In: Bericht über die Verhandlung der Tagung für volkstümliche Hochschulvorträge im deutschen Sprachgebiete (Erster Deutscher Volkshochschultag), Leipzig 1905, S. 2.
16 Bemerkenswert ist, daß dieser Hochschultag aufgrund des ausdrücklichen Wunsches von Ludo Moritz Hartmann offiziell „Tagung für volkstümliche Hochschulvorträge im deutschen Sprachgebiete“ genannt wurde. Hartmann mußte befürchten, daß die Bezeichnung „Volkshochschultag“ bei den Behörden auf ernste Widerstände stoßen könnte, nachdem 1900 auch schon das Ansuchen zur Gründung eines Vereins „Volkshochschule“ in „Volksheim“ abgeändert werden mußte. Den staatlichen Behörden war der Ausdruck „Volkshochschulen“ aufgrund seiner damaligen bildungspolitischen Sprengkraft ein Dorn im Auge. Vgl. Kapner, a.a.O., S. 13).
17 Vgl. Anm. 12.
[S. 29] 18 Im Hinblick auf die national(istisch)e Selbstlegitimation der „österreichischen“ Volksbildung genügen Blick in die Jahresberichte jeweiligen Institutionen. Zum aggressiveren Nationalismus im wilhelminischen Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg vgl. Norbert Elias: Studien über die Deutschen. Frankfurt/Main 1989, insbes. S. 225 ff. und 271 ff. Entsprechend hieß es bei Paul Natorp, einem einflußreichen deutschen Kollegen in eindeutiger Doppeldeutigkeit: „Deutschland, sobald es einmal mit ganzer Energie der großen Aufgabe sich annähme [...] über einen quantitativ und qualitativ überlegenen Stab an Offizieren und zugleich über weit besser schon vorgebildete Mannschaften verfügen, um ein Heer, wie es die Welt noch nicht gesehen hat, bereit zu stellen zum friedlichsten der Kriege, dem Kriege wieder geistige und sittliche Verkümmerung breiter Volksschichten. [...] Die kurzsichtige Politik, welche die Aufgaben der nationalen Bildung vernachlässigen würde, um nur Flotte und Heer emporzubringen, würde sehr bald scheitern, weil schon die materielle Ausrüstung, vollends die noch wichtigere intellektuelle und moralische Ausrüstung der Führer und Mannschaften, die ein modernes Heer, eine moderne Flotte fordert, gar nicht zu haben sind ohne jene gründliche und so allgemein wie möglich verbreitete Bildung der ganzen Nation, auf die wir hinarbeiten. Noch greifbarer gilt dies vom Wettbewerb in Industrie und Handel. Es gilt aber schließlich auch vom inneren Kriege der wirtschaftlichen Klassen.“ (Paul) Natorp in: Die Erziehung, des Volkes auf den Gebieten der Kunst und der Wissenschaft. Vorberichte und Verhandlungen der IX. Konferenz vom 23. und 24. April 1900 in Berlin, Berlin 1900, S. 1. Vgl. auch die sonst eher nüchtern-zurückhaltende Beobachterin Herta Siemering, die angesichts des behaupteten praktischen Nutzens des Volksheims in ähnliche, nationalistisch-martialische Töne ausbrach: „Solche Gedanken erwecken auch in uns den Wunsch, im eigenen Vaterlande nicht ein Volksheim, sondern gleich deren mehrere ins Leben zu rufen als fruchtbringende Kiegsschulen für den Kampf auf dem Weltmarkt.“ Hertha Siemering, Arbeiterbildungswesen in Wien und Berlin. Eine kritische Untersuchung, Karlsruhe i.B. 1911, S. 33.
19 Österreichisches Verwaltungsarchiv, Faszikel 789.
20 Archiv der Universität Wien, Faszikel „VUV“, Karton der Jahre 1897/88, Protokoll Nr. 39.
21 Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert, Wien 1994, S. 154 f.
22 Für Hartmanns prononcierte politische Position in Sachen „Anschluß“ an Deutschland vgl.: Oliver Rathkolb, Ludo Moritz Hartmann – Sozialdemokratischer Politiker und Diplomat: Republikaner und Deutschnationaler. In: Wilhelm Filla/Michaela Judy/Ursula Knittler-Lux (Hrsg.), Aufklärer und Organisator: Der Wissenschaftler, Volksbildner und Politiker Ludo Moritz Hartmann. Wien 1992, S. 51-65; insbesondere für Hartmanns Haltung und seinen maßgeblichen politischen Einfluß während und nach dem Ersten Weltkrieg siehe: Günther Ramhardter, Geschichtswissenschaft und Patriotismus. Österreichische Historiker im Ersten Weltkrieg 1914-1918, Wien 1973, S. 159 ff.
23 Für Reich und einige nachgerade erschütternde Anekdoten siehe unter anderem Kapner, a.a.O., S. 39); für die beiden anderen vgl. Bruno Enderes, Richard Wettstein von Westersheim. In: Neue Österreichische Biographie, 1815-1918, Bd. VIII, Wien 1935, S. 11-26 (hier insbesondere S. 14, wo von der großdeutschen Bewegung und deren Unterstützern Michael Hainisch, Eduard Leisching die Rede ist bzw. von der Burschenschaft „Thuringia“, der neben Wettstein auch Rudolf Much – seines Zeichens Professor für Germanistik, aktiver Vortragender im Rahmen der Volksbildungsbewegung und späterer Parteigänger der Nationalsozialisten – und Adolf Stöhr angehörten. Dort wurde diesen Angaben gemäß eine „eine scharf nationale Richtung gepflegt“. Dabei ist zum einen natürlich zu ergänzen, daß Enderes’ Aufsatz zur Zeit des Austrofaschismus verfaßt wurde; zum anderen ist nochmals zu betonen, daß deren Deutsch-Nationalismus in aller Regel auf einigermaßen moderate Formen beschränkt blieb.
24 Enzensberger, a.a.O., S. 66, zitiert dabei aus Meyers Großes Konversations-Lexikon. Leipzig und Wien 1905 (6. Aufl.) bzw. aus Brockhaus’ Konversations-Lexikon, Leipzig 1894 (14. Aufl.); beide Male die Artikel unter dem Stichwort „Analphabetismus“.
25 Karton Nr. 30 [1913/14-1930] aus dem Bestand „Volkstümliche Universitätskurse“ im Archiv der Universität Wien.
26 „Vorträge Wiener Universitätslehrer zur Zeit- und Weltlage“. Wien 1915. Vgl. Bericht über die volkstümlichen Universitätsvorträge der Wiener Universität im Studienjahre 1914/15, S. 2 f.
27 Karton Nr. 31 [1913/14-1930] aus dem Bestand „Volkstümliche Universitätskurse“ im Archiv der Universität Wien, worin sich die Vortragsprogramme für die Kriegsjahre und danach finden. Auf diesen Programmen sind z.T. auch die Besucherzahlen annotiert.
28 Oft zitiert in diesem Zusammenhang, aber nur ein Beispiel unter vielen: Stephen Hilgartner, The Dominant View of Popularisation: Conceptual Problems, Political Uses. In: Social Studies of Science, 20 Jg., 1990, Nr. 4, S. 519-539.
[S. 30] 29 Vgl. dazu Ulrike Felt, Helga Nowotny und Klaus Taschwer, Wissenschaftsforschung. Eine Einführung, Frankfurt a. Main-New York 1995, S. 259 f. Der wohl bekannteste Fall für eine voreilige Publikation in einer Tageszeitung bzw. für diese neuartige Form der „Science per Press-conference“ war die vorgebliche Entdeckung der Kalten Fusion; doch auch in anderen kapitalintensiven und hochkompetitiven Wissenschaftsbereichen – etwa der Erforschung der Hochtemperatursupraleitung Ende der achtziger Jahre oder der Aids-Forschung – lassen sich ähnliche Beispiele für Vorab-Veröffentlichungen finden.
30 Vgl. Sperling. Adreßbuch der deutschen Zeitschriften. Herausgegeben von H.O. Sperling. Stuttgart; diverse Jahrgänge. Die Zeitschrift wurde von Dr. Konrad Dohany herausgegeben und verlegt; der verantwortliche Redakteur war in den Kriegsjahren Frank Klinger. Die Zeitschrift erreichte in der Zwischenkriegszeit eine Auflage von 10.000 Exemplaren; sie schien freilich innerhalb der österreichischen Volks- bzw. Arbeiterbildungsbewegung keine besonders wichtige Rolle gespielt zu haben.
31 Im Vergleich zu dieser nahezu vollständigen Ausrichtung auf den Krieg scheint im Fall der Tageszeitungen die Wissenschafts- und Technik-Berichterstattung weniger stark auf den Krieg abgestellt worden zu sein. Mündliche Auskunft von Ulrike Felt, die an einer Aufarbeitung der Wissenschafts- und Technikberichterstattung in Wiener Tageszeitungen zwischen 1900 und 1938. Dafür waren wohl auch die Zensurbestimmungen verantwortlich, die insbesondere die Tageszeitungen trafen. Vgl. Karl Warum, Das Jahr 1918 in der Wiener öffentlichen Meinung. Unveröffentliche Diplomarbeit an der Universität Wien, Wien o.J., S. 1.
32 Österreichisches Verwaltungsarchiv, Faszikel 789, bzw. Archiv der Universität Wien, Faszikel „VUV“, Karton 30. Es handelt sich dabei um Unterstützungsansuchen vom 10.7.1917, 27.11.1917, 23.5.1918, 23.9.1918
33 Vgl. Wilhelm Bründl, Eigenart und Entwicklung der Wiener Volkshochschulen, Wien o.J., S. 62.
34 Einen Überblick über die Relevanz der Naturwissenschaften geben (neben den Dutzenden Aufsätzen in „Die Bildung“ und anderen populärwissenschaftlichen Journalen) für die Chemie besonders eindrucksvoll: Fritz Haber, Die Chemie im Kriege: Zur Geschichte des Gaskrieges. In: Fünf Vorträge aus den Jahren 1920-1923. Berlin 1924; für die Physik Robert A. Millikan, Contributions of Physical Science. In: R. M. Yerkes (Hrsg.), The New World of Science, its Development during the War, New York 1920, S. 33-48 (, worin nachdrücklich belegt wird, daß der Erste Weltkrieg keinesfalls bloß ein „Krieg der Chemie“ war). Für eine kursorisch-einführende Darstellung der Rolle der Naturwissenschaft im Ersten Weltkrieg aus historisch distanzierterer Perspektive siehe unter anderem Michael Eckert und Helmut Schubert, Kristalle, Elektronen, Transistoren. Von der Gelehrtenstube zum Industrielabor, Reinbek bei Hamburg 1985, S. 139-149.
35 Stephan Bauer, Ludo Moritz Hartmann. In: Neue Österreichische Biographie, 1915-1918, begründet von Anton Bettelheim, 1. Abteilung, Bd. 3, Zürich-Leipzig-Wien 1926, S. 197-209, (hier S. 207).
36 Daß Hartmann dabei durchaus auch realpolitisch äußerst einflußreich wurde, ist bei Günther Ramhardter, a.a.O., eindrucksvoll belegt.
37 Ich erwähne hier stellvertretend nur zwei der rezenteren Arbeiten, die sich mit diesem Komplex – unter durchaus neuen Gesichtspunkten – beschäftigen: Emmerich Talos/Herbert Dachs/Ernst Hanisch/Anton Staudinger (Hrsg.), Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918-1933, Wien 1995; sowie Hanisch, a.a.O., S. 263 ff.
38 Vgl. die erste Nummer der Zeitschrift „Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungswesens in Deutschösterreich“, die auch das Regulativ abdruckte sowie einflußreiche Stellungnahmen eben dazu. Für eine Interpretation und Evaluation des Regulativs sowie eine nüchterne Einschätzung dieser (volks-)bildungspolitischen Euphorie nach 1918 siehe: Dieter Langwiesche, Zur Freizeit des Arbeiters: Bildungsbestrebungen und Freizeitgestaltung österreichischer Arbeiter im Kaiserreich und in der Ersten Republik, Stuttgart (orig. 1979) 1980, S. 54 ff.; Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs. Bd. 5: Von 1918 bis zur Gegenwart, Wien 1989, S. 220 ff.
[S. 31] 39 Max Adler, Neue Menschen. Gedanken über die sozialistische Erziehung, Berlin 1924, insbes. S. 29 ff. und 54 ff.
40 A(lexander A.) Bogdanow, Die Wissenschaft und die Arbeiterklasse, Berlin-Wilmersdorf 1920, S. 25. Für eine partielle Umsetzung dieses Programms einer explizit sozialistischen (Natur-!)Wissenschaftspopularisierung kann die Berichterstattung in der Berliner Zeitschrift „Urania“ gelten, die das antibürgerliche Pendant zum populärwissenschaftlichen Journal „Kosmos“ darstellte. Vgl. Nick Hopwood, Producing a Socialist Science in the Weimar Republic. In: History Workshop Journal, Nr. 41, 1996, S. 117-153 (hier insbesondere: S. 130 f.).
41 Auch nach der Übernehme dieser Stelle ins Staatsamt für Heerwesen (September 1920) blieb Stern in dieser Funktion tätig. Ihm war ab diesem Zeitpunkt auch ein gewisser Robert Musil untergeben, der noch im Ersten Weltkrieg sein Vorgesetzter gewesen war. Musil wurde zum Fachbeirat im Heeresministerium bestellt und mit der Einführung der Offiziere in die Methoden der Arbeits- und Geistesbildung betraut. In diesem Zusammenhang erschien auch Musils Aufsatz „Psychotechnik und ihre Anwendungsmöglichkeiten im Bundesheere“ in den „Militärwissenschaftlichen und technischen Mitteilungen“ (nachgedruckt in: Robert Musil, Beitrag zur Beurteilung der Lehren Ernst Machs. Studien zur Technik und Psychotechnik, Reinbek bei Hamburg 1980, S. 179-200). Aus dieser Zeit stammt auch Musils wenig freundliche Charakterisierung Sterns als Arbeiterbildner: „Dr. Stern: Der Zweck heiligt nicht das Mittel, heiligt das Mittel, wird als das Letzte angebetet: Entwicklung zum Politiker. Die Parteischulung, der Drill der Masse zum Selbstgefühl, die Suggestion, mit einem Marxbüchel den Schlüssel zu aller Geistigkeit in der Hand zu haben, ist sehr viel wert. Die nächste Stufe bedeuten die leuchtenden Augen, wenn man an den Bildungseifer der Arbeiter und der Jugendlichen denkt; sie sollten die Disziplin, das Leben in unsren Lesesälen sehn! Auf der dritten Stufe teilt man die Wissenschaft in die Natur- und Gesellschaftswissenschaften und leugnet jede andre Möglichkeit. Das Selbstgefühl, das der Arbeiter durch den Marxismus erhält, wird hier zur jüdischen Arroganz.“ Zitiert nach Karl Corino, Musil. Leben und Werk in Bildern und Texten, Reinbek bei Hamburg 1988, S. 270.
42 Josef Luitpold Stern, Klassenkampf und Massenschulung. 5. geänderte Aufl., Wien 1930 (orig. 1924), S. 14 f. (Hervorhebungen im Original, K.T.).
43 Siehe: Werner Rappl, Fritz Saxls Ausstellungen nach dem Ersten Weltkrieg. In: Herbert Posch/Gottfried Fliedl, Politik der Präsentation. Museum und Ausstellung in Österreich 1819-1945, Wien 1996, S. 40-52. Vgl. zudem den Folder „Das Joch des Krieges“ sowie die zahlreichen Zeitungsberichte über die Ausstellung in der Zeitungsausschnittesammlung des „Volksheims“, beides im Österreichischen Volkshochschularchiv.
44 Vgl. dazu insbesondere: Klaus Böhme, Aufrufe und Reden deutscher Professoren im Ersten Weltkrieg, Stuttgart 1975.
45 Haeckel, der ja nicht nur der erfolgreichste populärwissenschaftliche Autor seiner Zeit war, sondern auch ein offensiver Freidenker, ließ sich übrigens im September 1904 in Rom vor dem Denkmal Giordano Brunos als „Gegenpapst“ feiern. Giordano Bruno war aufgrund seiner wissenschaftlichen Ansichten, die der Kirche ein Dorn im Auge waren, viele Jahre lang von der Inquisition eingekerkert worden, eher er im Jahre 1600 verbrannt wurde. Vgl. Ernst Glaser, Kann die Wissenschaft verständlich sein? Von der Schwierigkeit ihrer Popularisierung, Wien-Düsseldorf 1965, S. 206.
46 Berthelot, a.a.O.
47 1920 wurde das Gymnasium in der Zirkusgasse für das Volksheim Leopoldstadt angemietet und 1922 eine Realschule in Simmering. 1923 folgte schließlich eine Dependance in Favoriten, 1924 im Bezirk Landstraße und noch im selben Jahr in Brigittenau.
48 Vgl. Dieter Langewiesche, Zur Freizeit des Arbeiters. Bildungsbestrebungen und Freizeitgestaltung österreichischer Arbeiter im Kaiserreich und in der Ersten Republik, Stuttgart 1980, S. 54.
(Wortwahl, Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung entsprechen dem Original. Die im Original durch Sperrung hervorgehobenen Wörter wurden kursiv gesetzt. In eckiger Klammer steht die Zahl der jeweiligen Seite des Originaltextes. Offensichtliche Druckfehler wurden berichtigt.)