Künstlerische VHS Wien
VorgeschichteKurse für bildende Kunst wurden in den Volksbildungshäusern ab 1932 eingerichtet. Eine Erweiterung des künstlerischen Programmangebots erfuhr die Volksbildung in der Zeit des Austrofaschismus ab 1934. Auf Betreiben des Volksbildungsreferenten
Karl Lugmayer wurden nun neben wissenschaftlichen vor allem praktische und künstlerische Kurse angeboten. Die Malerin und Kunstpädagogin
Gerda Matejka-Felden fand durch diese Ausweitung und die Stellung ihres Mannes
Viktor Matejka, der von 1934 bis 1936 das
Volksheim Ottakring leitete, Zugang zu den Volksbildungshäusern. Da ihre Kurse großen Zuspruch fanden, gründete sie 1935 eine Fachgruppe für Malen und Zeichnen im Volksheim Ottakring. 1938 wurde Matejka-Felden mit einem Berufsverbot belegt. An ihren Tätigkeiten konnte sie erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder anknüpfen.
Gründung der künstlerischen VolkshochschuleMatejka-Felden leitete unmittelbar nach Kriegsende Kurse für Malen und Zeichnen, die im Souterrain der Akademie der bildenden Künste angeboten wurden. Aus diesen Kursen entwickelte sich der Verein Künstlerische Volkshochschule (KHV), den sie 1947 gemeinsam mit Karl Lugmayer und Leopold Langhammer gründete. Die erste Ausstellung von Schülerarbeiten wurde bereits am 2. März 1946 im „Volksheim“, der heutigen Volkshochschule Ottakring, eröffnet.
Eine wichtige Aufgabe sah Matejka-Felden darin, jenen BewerberInnen der Kunstakademie eine Ausbildung zu ermöglichen, die von der Prüfungskommission nicht zu einem ordentlichen Studium zugelassen wurden. Damit verwirklichte sie einen Gedanken, den sie schon in der Zwischenkriegszeit als Gründerin der Fachgruppe Zeichnen und Malen im Volksheim Ottakring verfolgt hatte: Kunst sollte breiteren Kreisen der Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Dementsprechend stand die KHV allen Menschen ohne Rücksicht auf Vorbildung ab dem 17. Lebensjahr offen.
Diese Überzeugung führte – in einer ideologisch angespannten Situation – zu Anfeindungen vonseiten beamteter Akademiker, die in der KHV eine konkurrierende Einrichtung sahen. Der Konflikt gipfelte in einem Disziplinarverfahren und schließlich im vorübergehenden Ausschluss ihrer Lehrtätigkeit an der Akademie der bildenden Künste. 1951 konnte Matejka-Felden, die 1945 als erste Frau einen Lehrauftrag an der Akademie erhalten hatte, die Leitung der Meisterschule für Kunsterziehung (dem heutigen Institut für das künstlerische Lehramt IKL) wieder übernehmen.
Aufstieg der KVH in den 1950er JahrenDie KVH wurde gut angenommen, der Andrang war groß. Nach zehnjährigem Bestehen stiegen die BesucherInnenzahlen der KVH von 1.320 im Jahr 1947 auf 11.200 im Jahr 1957. Die Zahl der angebotenen Kurse stieg im selben Zeitraum von 30 auf 171. Die anfänglichen Mal- und Zeichenkurse wurden bald ergänzt durch Kurse über Kunstgeschichte, Bildhauerei und Keramik, praxisorientierte Kurse wie Schaufenster- und Bühnengestaltung oder Malkurse für Behinderte. Später wurden auch Lehrgänge für Pressefotografie und Gebrauchsgrafik angeboten. Der Werkstattbetrieb wurde – soweit es die räumlichen Gegebenheiten erlaubten – ausgebaut und die nötigen Geräte und Werkzeuge angeschafft. Ausstellungen im In- und Ausland machten die künstlerische Volksbildungsarbeit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. Die angefertigten Bilder wurden in den Volksbildungshäusern präsentiert, 1951 auch im Wiener Messepalast, ein Jahr später in Marl-Recklinghausen bei Essen in Deutschland.
Gründung der Wiener KunstschuleDer große Erfolg der KHV und der Wunsch der HörerInnenschaft nach einer umfassenderen Ausbildung ermöglichte 1954 die Gründung der Wiener Kunstschule, die keine Volkshochschule, sondern eine Privatschule ist, die 1965 das Öffentlichkeitsrecht erhielt. Die Kunstschule umfasste zunächst sechs Fachklassen: freie und angewandte Malerei, Bildhauerei und Keramik, Baugestaltung, Architektur und Innenarchitektur, Gebrauchsgraphik und Schaufensterdekoration, Mode und Kunstgewerbe, darstellende Kunst und Musik.
In der Kunstschule sollten künstlerische Studiengänge mit einem staatlichen Zeugnis oder Diplom abgeschlossen werden können, während die KHV nur Kursbestätigungen ausgab. Einen Lehrplan im heutigen Sinne gab es nicht. Die Kunstschule wurde vielfach von jungen Kunstinteressierten besucht, die sich in späterer Folge an der Akademie der bildenden Künste bewerben wollten. Sie stand aber auch Berufstätigen offen, die ein intensives Kunststudium aufnehmen wollten, sowie professionellen KünstlerInnen, die an einer Weiterbildung interessiert waren. Voraussetzungen für die Aufnahme in die Kunstschule waren – neben guter allgemeiner Schulbildung – eine künstlerische Begabung und ein Mindestalter von 16 Jahren.
Umzug und Konflikt1963 konnte die KHV gemeinsam mit der Kunstschule nach 17 Jahren aus den beengten Kellerräumen der Akademie der bildenden Künste ausziehen und in das ehemalige Hauptschuldgebäude in der Lazarettgasse 27 im 9. Wiener Gemeindebezirk übersiedeln. Dieses Gebäude hatte ihnen die Stadt Wien übergeben. Die adaptierten und gut ausgestatteten Räume ermöglichten eine Erweiterung des Bildungsangebots auf insgesamt 170 Kurse im Jahr 1964. Das Programm umfasste, neben sämtlichen Sparten der angewandten und bildenden Kunst, etwa Kunst- und Musikgeschichte, ein literarisches Seminar, Kurse für Stimmbildung und Gesang sowie für Fotografie und Film. Neben der bereits bestehenden Bibliothek wurde 1964 ein Lesesaal eröffnet, in dem Fachliteratur und Fachzeitschriften allen BesucherInnen zur Verfügung standen. Außerdem forcierte Matejka-Felden weiterhin die Organisation von Ausstellungen im In- und Ausland – etwa in Deutschland, Frankreich, den USA und Japan.
Die enge örtliche, administrative und finanzielle Verwobenheit der beiden Institutionen wurde bald als Problem wahrgenommen. Das Unterrichtsministerium drängte den schulerhaltenden Verein daher zu einer Reform des Organisationsstatuts, der Lehrpläne und der Prüfungsordnung. Gedroht wurde sogar mit dem Verlust des Öffentlichkeitsrechts. Die Spannungen konnten erst im Rahmen einer umfassenden Reform gelöst werden.
Reform der Wiener KunstschuleEingeleitet wurde diese Reform von Günter Povaly, der die Direktion der Wiener Kunstschule 1989 übernommen hatte. Nun wurden die Lehrveranstaltungen der Kunstschule von den Kursen der KHV getrennt und ein Orientierungsjahr eingeführt, das mit einer kommissionellen Übertrittsprüfung in den zweiten Studienabschnitt verbunden wurde. Nur die Werkstätten wurden nach wie vor von beiden Einrichtungen genutzt, die Leitung aber zwei gleichberechtigten Lehrenden übertragen. Mit der Gesamtreform konnte das Öffentlichkeitsrecht für Baugestaltung, Architektur und Innenarchitektur, Malerei, Gebrauchsgrafik, Schaufensterdekoration sowie für Bildhauerei und Keramik an der Kunstschule 1994 bestätigt werden. Im selben Jahr beschloss der Wiener Gemeinderat den Dachausbau und eine jährliche Subventionierung von ca. 40 Prozent des Schulbudgets. Damit war die finanzielle und räumliche Grundlage für das Fortbestehen der Wiener Kunstschule gesichert.
Ende und NeubeginnWegen unüberwindbaren Differenzen mit der Stadt Wien, dem größten Fördergeber, musste die Wiener Kunstschule 2014, im 60. Jahr ihres Bestehens, den Betrieb einstellen. Nach einer Restrukturierungsphase, die von einem neuen Vorstand eingeleitet worden war, konnte die „Kunstschule Wien“ den Lehrbetrieb wieder aufnehmen. Neben dem Haus in der Lazarettgasse standen nun auch Räumlichkeiten im Sandleitenhof in Ottakring zur Verfügung. Kooperationen mit der Kulturinitiative Soho in Ottakring und der Webster University St. Louis prägten die ersten Jahre nach der Wiedereröffnung. 2015/16 führte die Kunstschule Wien eine Studienreform in Zusammenarbeit mit der Wiener Bildungsdirektion und dem Bundesministerium für Bildung durch. Die Lehrpläne umfassen seither acht Studienrichtungen: Malerei & Prozess, Bildhauerei, Comic, Animation und Experimentalfilm, Druckgrafik, Grafik Design, Keramik und Raum & Design.
Secondary literature:
Gerda Matejka-Felden, Neue Wege der Künstlerischen Volkshochschule und Wiener Kunstschule. Bildende und angewandte Kunst als Heilfaktor. In: Neue Volksbildung, 19. Jg., 1968, Heft 1, S. 22–25.
Künstlerische Volkshochschule (Hrsg.), 30 Jahre Künstlerische Volkshochschule. Wiener Kunstschule 1947–1977, Wien: Verlag Ernst Schwarcz 1977, 32 S.
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